Professor Pfeiffer zu:
"Wirbelsäule, Bandscheibe und Kreuzschmerz"

Hier werden Fallbeispiele zu typischen Ursachen von Kreuzschmerzen und Bandscheibenleiden gegeben. Interessierte können eigene Symptome anhand von Beispielen einordnen

Ein 60-jähriger Pensionär klagt über folgende Beschwerden:
"In letzter Zeit kann ich kaum noch laufen, ich bekomme dabei Schmerzen in beiden Beinen. Jetzt schaffe ich nur noch ein paar Meter, dann muss ich mich hinsetzen oder zumindest nach vorne beugen. Rückenschmerzen habe ich kaum, auch ist nichts taub oder lahm - deshalb habe ich mir schon die Durchblutung der Beine untersuchen lassen, aber da ist alles in Ordnung. Fahrradfahren geht noch prima, aber besonders wenn ich das Fahrrad bergab in die Garage schiebe, überfallen mich diese ziehenden Schmerzen vom Gesäß bis zur Wade. Mein Hausarzt meint, das könnte doch von der Wirbelsäule kommen..."
Dies sind die klassischen Beschwerden bei einer verschleissbedingten Einengung des Wirbelkanals, der sogenannten Spinal(kanal)stenose der Lendenwirbelsäule. Viel Wissenswertes dazu erfahren Sie hier.

Ein 20-jähriger Schlosser berichtet folgendes:
"Alle sagen, ich muss einen Bandscheibenvorfall haben. Ich kann nicht einmal mehr einen Bierkasten heben, sofort bekomme ich einen Hexenschuss. Auf der Arbeit ist es auch ganz schlimm, meine Kollegen denken langsam, ich bin ein Simulant. Ich war schon im Kernspin, aber - nichts zu finden. Der Radiologe sagt, sein Kreuz wäre viel schlimmer. Ich mache seit Wochen Krankengymnastik, aber die tut nur weh und zwar im Rücken und im Gesäß, besonders, wenn ich ins Hohlkreuz gehen soll. Meine Freundin meint, das ist psychosomatisch. Die Globuli, die wir beide einnehmen und die Akupunktur haben ihr geholfen, aber mir nicht. Ich habe Angst um meinen Arbeitsplatz, kann beim Chef nicht immer wieder mit einem gelben Schein ankommen..."
Dieser Patient hat zwar keinen Bandscheibenvorfall, seine Symptome sind aber bis auf fehlende Beinschmerzen fast dieselben. Er leidet unter einer Fehlbildung der unteren Wirbelsäule, einem sogenannten Wirbelgleiten, das im herkömmlichen Kernspintomogramm (MRT) leicht zu übersehen ist. Mehr Informationen dazu unter o.g. Links.

Ein 50-jähriger sportlicher Mann beschreibt folgende Symptome:
"Seit einem Tennisspiel vor einigen Wochen habe ich einfach keine Schnellkraft mehr in den Beinen, ich meine, ich kann nicht mehr lossprinten. Und wenn ich den Kopf bewege und dabei den Arm so ausstrecke, schießt es mir wie ein Blitz in den kleinen Finger der rechten Hand. Das habe ich schon länger, habe mir erst nichts dabei gedacht, denn bis auf dieses staksige Gefühl in den Beinen und eine leichte Taubheit der Hand stört mich nichts. Eigentlich komme ich vom Urologen, der hat festgestellt, dass sich meine Blase beim Wasserlassen nicht vollständig entleert, aber meine Prostata sei normal. Er hat den Verdacht auf eine Nervenerkrankung."
Solche Symptome können tatsächlich auch von Nervenerkrankungen herrühren. In diesem Fall liegt aber tatsächlich ein Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule vor, der nicht unbedingt Schmerzen verursachen muss. Lesen Sie hierzu weiteres.

Eine 80-jährige Frau kommt am Gehwagen mühsam laufend in die Sprechstunde:
"Sehen Sie sich das an. Ich schleppe mich nur noch so dahin. Jede Bewegung tut im Kreuz weh. Ich werde immer krummer, bin zehn Zentimeter kleiner geworden in den letzten zwei Jahren. Jetzt fängt auch das eine Bein an mit Ischias. Nur im Liegen läßt das ein wenig nach. Von den ganzen Schmerzabletten bin ich ganz benommen und schon mehrmals gestürzt. Letztes Jahr habe ich mir auch einen Lendenwirbel angebrochen. Mein Hausarzt gibt mit Kalzium gegen meine Osteoporose, aber das hilft gar nicht."
Die Patientin hat in diesem Fall nicht nur einen Osteoporosebruch der Wirbelsäule erlitten, es liegt zudem eine zunehmende Verkrümmung der Wirbelsäule (Alters- oder Verschleißskoliose) vor. Eine sehr genaue Beschreibung des Krankheitsbildes finden Sie unter vorstehendem Link.

Eine 32-jährige Mutter erzählt:
"Ich habe vor wenigen Monaten eine Tochter bekommen, nach einer normalen Schwangerschaft. Sie ist gesund, aber ich musste die letzten Wochen vor der Entbindung wegen Kreuzschmerzen fast dauernd liegen. Das hat kaum jemand verstanden, auch der Frauenarzt nicht. Das waren auch keine Wehen oder so, sondern ein Schmerz in den Leisten und Genitalbereich und im hinteren Becken und Kreuz. Nach dem Kaiserschnitt wurde es auch  nicht besser. Bis heute habe ich auf der einen Seite diesen Leistenschmerz, aber ein Leistenbruch und eine Hüftarthrose wurden ausgeschlossen. Die Nachuntersuchungen nach der Schwangerschaft mit Ultraschall undsoweiter waren alle hervorragend. Im Kernspin war auch nichts zu sehen. Der Schmerz zieht nicht zum Fuß runter, aber ins Hohlkreuz. Ich bin mit den Nerven runter, kann das Kind nicht hochheben und nur im Liegen stillen. Deswegen kann ich auch keine Medikamente einnehmen."
Die Patientin leidet, wie sich schon bei  der körperlichen Untersuchung eindeutig zeigt, an einer Funktionsstörung des Kreuzdarmbeingelenks (das Gelenk wird auch Iliosakralgelenk oder  ISG-Fuge genannt). Diese beidseitigen Gelenke verbinden das Becken mit dem Kreuzbein und tragen die gesamte Last des Oberkörpers und Rumpfes. Sie lassen nur wenig Bewegungsspiel zu und werden durch Muskeln und von Bändern stabilisiert, deren Festigkeit hormonabhängig ist - das ist auch der Grund für das häufige Auftreten solcher Beschwerden in der Schwangerschaft. Aber dasselbe kommt auch bei Männern und sogar bei Kindern vor. Muskelverkürzungen und Arthrose verschlimmern oft die Beschwerden.

Eine 50-jährige Reinemachefrau schildert ihre Beschwerden:
"Morgens geht es ja immer noch, vor ein paar Monaten wurde es erst so ab Mittags schlimmer. Jetzt fängt es schon gegen neun Uhr an. Es zieht im tiefen Kreuz, wie abgebrochen fühlt es sich an. Den Arbeitstag überstehe ich nur mit Schmerztropfen. Nur beim Hinlegen wird es besser und es ist auch nicht mehr nur unten, sondern inzwischen auch hinten am unteren Brustkorb und das Atmen tut weh. Dsewegen bin ich schon häufig eingerenkt worden, das hilft immer ein paar Stunden, aber dann kommt es doppelt schlimm zurück. Lahm oder taub ist nichts, es zieht nicht ins Bein, nur auf beiden Seiten in den Po", sagt sie auf Nachfragen.
Die Patientin leidet an einem Verschleiss der kleinen Wirbelgelenke, auch Facettengelenke genannt. Typisch ist, dass auch die kleinen Wirbelgelenke an der unteren Brustwirbelsäule und die Gelenke, wo die Rippen an der Wirbelsäule befestigt sind (Costotransversalgelenke) schmerzhaft mitreagieren.

Ein 70-jähriger Alterssportler berichtet:
"Ohne meinen Sport wäre ich sicher schon total verkalkt. Ich habe immer Sport gemacht, so ziemlich alles. Jetzt geht nur noch Fahrradfahren und Schwimmen, beim Altersmarathon bin ich letztes Jahr nach zwei Kilometern ausgeschieden, da war ich ziemlich frustriert. Goldenes Sportabzeichen ist auch nicht mehr. Beim Kegeln muss ich den Arm wechseln, ich habe das Gefühl, ich komme mit dem rechten Bein nicht mehr nach hinten, und dann auch nicht wieder hoch. Aber als Rechtshänder mit links Kegeln geht einfach nicht.  Vor allem wenn ich das Bein nach innen drehe, tut es in der Leiste weh und ich fange an zu hinken. Mir fällt auch auf, dass mein rechter Fuß mehr nach außen zeigt als der linke. Der Schmerz zieht vorne das Bein hinunter bis zum Knie. Mein Kollege hatte dasselbe, da war es ein eingeklemmter Nerv an der Bandscheibe..."
Der Patient hat keinen Bandscheibvenvorfall, sondern die typischen Beschwerden einer Hüftverschleißerkrankung (Coxarthrose). Diese sind manchmal schwierig von denen der Funktionsstörung des Iliosakralgelenks (s.o.) und einer Wirbelsäulenerkrankung zu unterscheiden.

Man sieht an allen diesen Beispielen, wie wichtig gutes Zuhören und eine genaue körperliche Untersuchung des Patienten sind, bevor weitere Diagnostik- und Therapievorschläge gemacht werden können!

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